Der alte Hall - ... oh ja die Phantasie

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  Es war bei einer Fortbildungsveranstaltung des VERBANDES DEUTSCHER SCHULMUSIKERZIEHER bei der Landesmusikakademie in Schlitz.
Meine Tochter - ebenfalls Musiklehrerin - und ich nahmen an dem Kurs "Singen mit Hand und Fuß"(Gerhart Roth) teil.
Wir waren frühzeitig an Ort und Stelle und konnten uns gründlich in der Lokalität, dem Schloss Hallenburg, umsehen. Mich hat das Anwesen mit seiner rustikalen Würde sehr beeindruckt: das weitläuige Treppenhaus mit den leicht ausgetretenen Stufen, die hohen Räume, die großzügigen Flure, die kühlen Kellerräume, die dicken Fundamentmauern . Besonders der Blick aus dem Fenster im ersten Stock war es wohl, der meine Phantasie in Gang setzte.
Gegenüber kann man nämlich ehemalige Wirtschaftsgebäude in einem offenen Karree sehen,  halb verfallene Teile, deren Renovierung bevorsteht, kräftig kontrastierend zu dem bunt herausgeputzen Mittelgebäude mit einem Dachreiter, der dem Schloss zugewandt das glänzende Ziffernblatt einer - offensichtlich funktionierenden - Turmuhr zeigt.
Und schon füllte sich das Ganze mit Leben. Und im Verlauf der Fortbildung, auf der Heimfahrt und lange danach, eigentlich bis heute, stellte sich das eine oder andere Bild ein, die eine oder andere Begebenheit, der eine oder andere Zusammenhang.
Aus der Perspektive eines Einheimischen, der "gut" über alles Bescheid weiß, der alle Geschichten um das Schloss und seine Bewohner - teils aus Überlieferung - kennt, kam ich ins Erzählen über den "alten Hall".
Es geht los. Und Vorsicht: Phantasie!!


1.
Nun, eigentlich hieß er Moritz von Hallenberg zu Hallenburg. Aber den Leuten war das zu lang. Sie sprachen vom alten Hall - respektvoll raunend, wenn ihnen der Berichtsgegenstand besonders gewichtig erschien.
Und so erzählte ich meiner Tochter zunächst, dass der Fussboden im ersten Stock, dem ehemaligen herrschaftlichen Wohn- und Arbeitsbereich, der wegen der Renovierung der Räumlichkeiten einige kleine Absätze aufweist, früher zu Zeiten des alten Hall vollkommen eben war. Das musste auch so sein, denn der alte Hall fuhr im Rollstuhl. Sicher und würdig wusste er sich damit zu bewegen. Ihm fehlte nichts, denn von der Welt, die es da draußen gab und die er in seiner Jugend reichlich kennen gelernt hatte, wusste er genug: vom Schönen und vom Herben. Der alte Hall führte sein Gut vom ersten Stock aus, im Rollstuhl. Wer etwas von dem Gutsherren wollte, musste zu ihm hinauf kommen. Je nach dem wartete er oben an der Treppe oder hinter seinem großen Schreibtisch im Arbeitszimmer.
Ab und zu verließ er den oberen Stock, um mit seiner Pferdekutsche zweispännig über seine Felder und Wiesen, den Hallschen Grund, zu fahren. Der eine Knecht, der einzige, der ihm wirklich nahe kommen durfte, trug ihn mitsamt dem Rollstuhl die breite Treppe hinab auf den Hof zwischen Schloss und Wirtschaftsgebäude und half ihm auf den Kutschbock. Die Pferde, die bislang geduldig - ja fast gelangweilt - gewartet hatten, zogen kräftig an und entwickelten ein Temperament, das man ihnen noch wenige Augenblicke zuvor nicht zugetraut hätte. Dazu gab es keine Peitsche, nur die locker geführten Zügel und ab und an einen Schnalzlaut oder ein ruhiges Hooh. Wenn er zurückkam, stand der Knecht schon bereit mit dem Rollstuhl und ein paar Möhren oder etwas Hafer oder einer geschnittenen Futterrübe. Denn bevor er den alten Hall wieder nach oben trug, begab sich dieser zu den beiden Pferden, die sich mit dem Kopf nach unten zu ihm beugten, tätschelte sie und gab ihnen etwas Futter.

(wird in unregelmäßigen Zeitabständen fortgesetzt)

 

 

 

 


"Phantasie ist wichtiger als alles Wissen, denn Wissen ist begrenzt" - Albert Einstein

 
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