Der alte Hall - ... oh ja die Phantasie

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  Es war bei einer Fortbildungsveranstaltung des VERBANDES DEUTSCHER SCHULMUSIKERZIEHER bei der Landesmusikakademie in Schlitz.
Meine Tochter - ebenfalls Musiklehrerin - und ich nahmen an dem Kurs "Singen mit Hand und Fuß"(Gerhart Roth) teil.
Wir waren frühzeitig an Ort und Stelle und konnten uns gründlich in der Lokalität, dem Schloss Hallenburg, umsehen. Mich hat das Anwesen mit seiner rustikalen Würde sehr beeindruckt: das weitläuige Treppenhaus mit den leicht ausgetretenen Stufen, die hohen Räume, die großzügigen Flure, die kühlen Kellerräume, die dicken Fundamentmauern . Besonders der Blick aus dem Fenster im ersten Stock war es wohl, der meine Phantasie in Gang setzte.
Gegenüber kann man nämlich ehemalige Wirtschaftsgebäude in einem offenen Karree sehen,  halb verfallene Teile, deren Renovierung bevorsteht, kräftig kontrastierend zu dem bunt herausgeputzen Mittelgebäude mit einem Dachreiter, der dem Schloss zugewandt das glänzende Ziffernblatt einer - offensichtlich funktionierenden - Turmuhr zeigt.
Und schon füllte sich das Ganze mit Leben. Und im Verlauf der Fortbildung, auf der Heimfahrt und lange danach, eigentlich bis heute, stellte sich das eine oder andere Bild ein, die eine oder andere Begebenheit, der eine oder andere Zusammenhang.
Aus der Perspektive eines Einheimischen, der "gut" über alles Bescheid weiß, der alle Geschichten um das Schloss und seine Bewohner - teils aus Überlieferung - kennt, kam ich ins Erzählen über den "alten Hall".
Es geht los. Und Vorsicht: Phantasie!!


2.
Im Schloss Hallenburg war es dem Personal nicht erlaubt und bei Gästen nicht gern gesehen, Uhren zu tragen. Alle zeitgebundenen Abläufe richteten sich allein nach der Turmuhr, in dem kleinen Dachreiter des zentralen Wirtschaftsgebäudes dem Schloss gegenüber. Diese war zwar von den rückwärtigen Räumen des Schlosses nicht sichtbar, konnte aber mittels einer kleinen eingebauten Glocke auch dorthin leise die Zeit vermelden. Bei Dunkelheit war man ebenfalls auf das Glöcklein angewiesen. Und so gab die Turmuhr allen im Schloss und dem ganzen Anwesen den gleichen Zeittakt an. Und dieser nahm - wie in unvollkommener Art die heutige Sommerzeit-Regelung - auf die schwankende Tageslänge im Jahresverlauf Rücksicht. So verschoben sich die Arbeitszeiten teilweise erheblich. Einige wollen sogar wissen, dass die Arbeitszeiten durch Veränderung des Uhrentaktes auch zuweilen ausgedehnt wurden. Da dies aber immer ganz allmählich geschah und nur, wenn es dringend zu erledigende Arbeiten gab, z.B. bei der Heuernte, nahm keiner daran Anstoß. Die meisten bemerkten es gar nicht.
Bei ganz wenigen besonderen Anlässen wurde das Ziffernblatt beleuchtet. Das waren einmal die repräsentativen Feste, die im Schloss von der zweiten Frau des alten Hall ausgerichtet wurden und die ihm selbst gar nicht so besonders gut gefielen. Seltsamerweise wunderten sich zuweilen Gäste, dass es doch wirklich schon so spät sei und dass ihre eigene Uhr der Zeit wohl etwas hinterher laufe. Nun ja, der alte Hall war eben der Herr über die Zeit - auf seinem Anwesen. Alljährlich in der Silvesternacht wurde die Uhr ebenfalls beleuchtet. Man wollte doch das neue Jahr pünktlich begrüßen. Und vor allem sollte das Feuerwerk, das bis zum Tode seiner ersten Frau vom alten Hall selbst immer überaus prachtvoll gestaltet wurde, auch pünktlich beginnen. Das Neujahrsfeuerwerk war bei allen sehr beliebt und weithin sichtbar. Am schönsten war es aber im Schlosshof selbst, weil dort noch einige zusätzliche Effekte zu sehen waren. Die Tore waren in der Neujahrsnacht offen und so drängten vor allem die Kinder und Jugendlichen hinein, um die Feuerräder und Vulkane zu sehen und sich eine Nase voll Pulverdampf zu holen. Der alte Hall sah dem ganzen Treiben mit großer Zufriedenheit vom Schloss aus zu.

(wird in unregelmäßigen Zeitabständen fortgesetzt)


 

 

 

 

 

 

"Phantasie ist wichtiger als alles Wissen, denn Wissen ist begrenzt" - Albert Einstein

 
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